Psychosen

Waren Konrad Lorenz' Graugänse krank?


Seit 1977 liegt "Das Selbstbild, eine Theorie zu Wesen und Ursprung der Psychosen" als Publikation vor. Sie wurde im selben Jahr u. a. in 62 Exemplaren, jeweils persönlich adressiert, an die Psychiatrische Klinik Zürich ("Burghölzli") versandt, ist aber nie ernsthaft diskutiert worden. Zu dieser Zeit war das Fundament der Selbstbildtheorie, die Unkorrigierbarkeit des in der Jugend erworbenen "Selbstbildes", freilich nur eine Hypothese, die zwar zum Beispiel an Konrad Lorenz' Graugänsen Halt finden mochte, die aber doch ringsum auf heftigste ideologische Ablehnung stieß.
Inzwischen gehört das Prinzip nur einmal beschreibbarer Speicher zum Alltagswissen, und das Phänomen des "Synaptic Pruning" ist gesicherter Wissensbestand der Gehirnforschung.

 





Eberhard Jonath

Ein deduktiver Ansatz zur Lösung des Rätsels der Psychosen





§1 Einführung


„Die deduktive Methode leitet in der Mathematik aus Definitionen und Axiomen Sätze ab und stellt einen sich immer erweiternden Zusammenhang neuer Einsichten her. Die Deduktion ist in der modernen Wissenschaft im Gegensatz zu der von Aristoteles bestimmten Scholastik kein Verfahren der Erkenntnis, denn es ist nicht möglich, neue Erkenntnisinhalte aus allgemeinen Sätzen abzuleiten, die mit diesen nicht schon gegeben wären. Dagegen wird sie geübt, um vorliegende Erkenntnisse in einen geschlossenen Zusammenhang zu bringen, sie nach ihren Inhalten voneinander abzuleiten und so ein geschlossenes System zu bilden“.(Apel u. Ludz 1958)


Psychosen äußern sich in auffälligem, scheinbar unerklärlichem Verhalten, und so liegt es natürlich nahe, Krankheiten und Störungen als Ursachen zu vermuten, denen man dann empirisch, durch Zusammentragen von Beobachtungsdaten und daraus abstrahierten Merkmalen und Verallgemeinerungen auf die Spur zu kommen hofft. Das Ergebnis ist - kurz gesagt: ein Ursachenchaos. Die im Folgenden skizzierte Selbstbildtheorie (Jonath 1977) läßt erkennen, weshalb das so ist, und löst das Rätsel der Psychosen mit einem Ansatz, der nicht von der Analyse psychotischen Verhaltens ausgeht, sondern von der Hypothese, daß wir von nach der Pubertät nicht mehr korrigierbaren Vorstellungen erfüllt sind. Inzwischen ist aus dieser Hypothese freilich die hirnphysiologische Tatsache geworden, daß etwa mit Beginn der Pubertät im Gehirn eine bedeutsame, irreversible, synaptic pruning genannte Reduktion synaptischer Verbindungen stattfindet.

Zwar hat schon Feinberg (1982/83) für Schizophrenie die Hypothese aufgestellt, „eine Störung des synaptic pruning könnte möglicherweise dafür verantwortlich sein, dass sich das Erkrankungsrisiko in der Pubertät dramatisch erhöht“. Aber charakteristischerweise wird eben wiederum nicht das pruning als solches, sondern erst dessen Störung mit der Psychose in Zusammenhang gebracht. Für den deduktiven Lösungsansatz der Selbstbildtheorie dagegen nimmt gerade der Vorgang des synaptic pruning selbst die axiomatische Schlüsselrolle ein!


§2 Selbstbildprägung


Der synaptic pruning genannte Vorgang bewirkt, daß von den bis dahin in ständig wachsender Zahl für kognitive Funktionen zur Verfügung gestellten synaptischen Verbindungen nur noch jene bestehen bleiben, die hinreichende Aktivität aufweisen, während ungenutzte „eingeschmolzen“ werden (Singer 1998). Im Endeffekt ergibt sich also eine irreversibel ausgebildete Struktur dieser synaptischen Verbindungen, und es wird als durchaus normaler und für die Menschheitsentwicklung vorteilhafter psychischer Reifungsprozeß angesehen, wenn auf diese Weise frühe umweltbedingte Konditionierungen bei nachhaltiger Bestätigung schließlich irreversibel festgeschrieben werden, weil dadurch ja bewährte Entscheidungsergebnisse nicht mehr lebenslänglich jedesmal aufs neue erarbeitet werden müssen.
Gemäß der Selbstbildtheorie geschieht eine solche irreversible Festschreibung im Verlauf des synaptic pruning nun auch mit jenen Konditionierungen, die dafür verantwortlich sind, wie wir uns selbst sehen, welche Eigenschaften, Fähigkeiten und Mängel wir tatsächlich zu besitzen glauben, welches Selbstbild wir von uns haben.

Die Selbstbildprägung wäre folglich ein Konditionierungsvorgang, bei dem uns durch die Umwelt Eindrücke über uns selbst 'eingeprägt' werden, die bis zur Pubertät noch beeinflußbar bleiben, sich dann aber im Verlauf des synaptic pruning zu unkorrigierbaren Vorstellungen über unsere Eigenschaften, Fähigkeiten und Mängel verfestigen und damit unser endgültiges Selbstbild konstituieren.  Und auch in diesem Fall kann man der Irreversibilität des synaptic pruning  entwicklungsfördende Vorteile zuerkennen, da sie eine Stabilisierung unserer Persönlichkeit bewirkt. In der Regel wird unser Selbstbild ja durch eine Unzahl von Urteilen aus einer durchmischten Umwelt konditioniert, so daß extreme, unrealistische Selbstbildvorstellungen jeweils rasch wieder korrigiert werden und sich schließlich ein realistisches Selbstbild ergibt.

Wenn nun aber infolge irgendwelcher Umstände keine derartigen Korrekturmechanismen wirksam sind, dann besteht die Gefahr, daß auch unrealistische Selbstbildvorstellungen sich einnisten und schließlich im Verlauf des synaptic pruning unkorrigierbar im Selbstbild verankert werden. Und dann mögen solche unkorrigierbaren unrealistischen Selbstbildvorstellungen zu Erwartungen (Hoffnungen, aber auch Befürchtungen!) führen, deren Erfüllung man zwar für gewiß hält, deren Erfüllung aber der unrealistischen Voraussetzungen wegen gar nicht möglich ist. Wäre es da verwunderlich, wenn ein von diesem Konflikt zwischen seinem unrealistischen, aber unkorrigierbaren Selbstbild und der Realität Betroffener schließlich jenes auffällige, scheinbar unerklärliche Verhalten an den Tag legte, das man bei Geisteskranken beobachtet?

„Die Geisteskranken sind, wie LOCKE sagt, denen ähnlich, die falsche Prinzipien, nach denen sie logisch schlußfolgern, aufstellen und wo sämmtliche Folgesätze irrthümlich sind.“ (Esquirol 1816)


§3 Die deduktive Methode


Die Selbstbildtheorie weist also, indem sie sich der deduktiven Methode bedient, einen völlig anderen als den üblichen, von vermeintlichen Krankheiten und geistigen Störungen ausgehenden, Weg: unter Zugrundelegung der Definition des Selbstbildes, das uns so zeigt, wie wir tatsächlich zu sein meinen, lassen sich ja allein aus dem Axiom des nach dem synaptic pruning nicht mehr korrigierbaren Selbstbildes z. B. folgende Sätze ableiten:

- Es Ist nicht möglich, den Widerspruch zwischen unrealistisch geprägtem Selbstbild und Realität durch Korrigieren des Selbstbildes zu beseitigen.

- Sowohl positiv, als auch negativ beurteilte Vorstellungen können zum Selbstbild gehören.

- Ein überwiegend positives Selbstbild kann nicht auf überwiegend negativer Prägung beruhen, ein überwiegend negatives Selbstbild nicht auf überwiegend positiver. (Falsifizierungskriterium der Selbstbildtheorie!)





§4 Psychosen als Vorstellungsbewahrung

 Die Kernthese der Selbstbildtheorie lautet:
Psychotisches Verhalten ist nichts anderes als das logisch konsequente Anwenden der uns allen geläufigen Vorstellungsbewahrungshilfen („A.I.D.S.“) durch Menschen, deren unrealistische (aber eben unkorrigierbare!) Selbstbildvorstellungen in Konflikt mit der Realität geraten sind.


Geläufig ist uns allen die Anwendung von Vorstellungsbewahrungshilfen, wenn es darum geht, in Gefahr geratene liebgewonnene Vorstellungen vor dem Widerlegtwerden zu bewahren. Wir versuchen dann, den Befund, daß ein auf Grund einer solchen Vorstellung erwartetes Ereignis nicht eingetreten ist, so zu interpretieren, daß wir diese Vorstellung trotzdem nicht aufgeben müssen. Hierzu bedienen wir uns der Vorstellungsbewahrungshilfen „A.I.D.S.“: Akkusation, Inversion, Diminution und Suppression. (Jonath 1977)

Die Vorstellungsbewahrungshilfen A.I.D.S. beruhen auf dem Prinzip des Verdrängens eines unliebsamen Sachverhalts aus dem Bewußtsein. Wenn das auf Grund einer Vorstellung im Rahmen einer Bewährungsprobe erwartete Ereignis nicht eingetreten ist, können wir versuchen,
a) die gesamte Bewährungsprobe,
b) jedenfalls das negative Ergebnis der Bewährungsprobe oder
c) immerhin doch wenigstens den Stellenwert des negativen Ergebnisses der Bewährungsprobe
zu verdrängen.

Das Verdrängen der gesamten Bewährungsprobe heiße 'Suppression' (S.), das Verdrängen des negativen Ergebnisses (also dessen Verkehrung ins Gegenteil) 'Inversion' (I.) und das Verdrängen des Stellenwerts (durch Herunterspielen) 'Diminution' (D.), wobei die 'Akkusation' (A.) im Rahmen der Diminution die Rolle übernimmt, widrigen Umständen die Schuld am negativen Ergebnis der Bewährungsprobe zu geben.


Häufen sich die Fälle, in denen ein unrealistisches Selbstbild (vor allem ein positives) mittels A.I.D.S. verteidigt werden muß, so kann es dahin kommen, daß die Konfrontation einer Vorstellung mit der Realität - also die Bewährungsprobe - im vornherein vermieden wird. Ein solches 'evasives Verhalten' als Bewahrungsstrategie für ein unrealistisch positives Selbstbild zeigen beispielsweise die letzten Lebensabschnitte von Hölderlin, Nietzsche und Robert Walser.


§5 Dichtung als Fundgrube


Da es bisher keine unter dem Aspekt der Selbstbildtheorie erfaßten Patientendaten gibt, möge hier der Hinweis auf die in Jonath (1977) behandelten Beispiele genügen und im übrigen auf eine Bemerkung Sigmund Freuds verwiesen sein: „Wertvolle Bundesgenossen sind aber die Dichter, und ihr Zeugnis ist hoch anzuschlagen“ (Freud 1907).

In der Tat bringt z. B. Thomas Mann eine treffende Unterscheidung zwischen den Verhaltensweisen bei erstens 'negativem' und zweitens 'positivem' Selbstbild:

„Es gibt Erwählte, welche aus zweifelnder Demut und Selbstverwerfung nie an ihre Erwählung zu glauben vermögen, sie mit Zorn und Zerknirschung von sich weisen und ihren Sinnen nicht trauen (...), wenn sie sich trotzdem zuletzt in der Erhöhung sehen. Und es gibt andere, denen in aller Welt nichts selbstverständlicher ist als ihre Erwähltheit, - bewußte Götterlieblinge, welche sich über gar nichts wundern, was ihnen an Erhöhung und Lebenskronen nur immer zufallen mag.“ (Mann 1943)


Bemerkenswert ist hier, daß beim ersten, negativen Selbstbild die „Erhöhung“ ja im Widerspruch zur unkorrigierbaren negativen Selbstbildvorstellung der „Selbstverwerfung“ steht, weshalb die „Erhöhung“ als Sinnestäuschung hingestellt, die „Selbstverwerfung“ also mittels 'Inversion' aufrechtzuerhalten versucht wird.  Beim zweiten, positiven Selbstbild hingegen ließ sich die positive Selbstbildvorstellung des Erwähltseins anscheinend bisher erfolgreich aufrechterhalten, und die „Erhöhung“ wird ohne Verwunderung als etwas Selbstverständliches hingenommen.

Auch bei Hermann Hesse findet sich in einer einfühlsamen Prosaskizze über seinen Bruder Hans die Darstellung eines realitätswidrig aufrechterhaltenen negativen Selbstbildes, welches sich offenbar durch die familiäre Rollenverteilung bei Hans - der eigentlich Johannes hieß! - herausgebildet hatte. (Hesse 1950)

Daß zur Zeit 'Depressionen' Hochkonjunktur haben, mag daran liegen, daß sie nicht nur salonfähig, sondern für Intellektuelle und Künstler geradezu ein must geworden sind, weshalb sich die Eigendiagnose „Depression“ gerade bei Schizophreniegefährdeten, also Menschen mit unrealistisch positivem Selbstbild, als nicht zu unterschätzende Selbsttherapie, nämlich als geglückte Vorstellungsbewahrung mittels 'Akkusation', durchaus bewähren kann.


§6 Selbstbild und Wunschbild


Da unser Wunschbild, das uns doch nur so zeigt, wie wir gern sein möchten, in der Regel korrigierbar bleibt, lassen sich Widersprüche zwischen unrealistischem Wunschbild und Realität (im Gegensatz zu den Verhältnissen beim Selbstbild!) durch Korrigieren des Wunschbildes beseitigen.

Die Unterscheidung zwischen Selbstbild und Wunschbild gestattet daher eine klare Aufteilung in Psychosen (Selbstbildkonflikt) und Neurosen (Wunschbildkonflikt).


§7 Fazit


Die deutliche Korrelation von positivem Selbstbild mit Schizophrenie und negativem Selbstbild mit Depression darf nicht darüber hinwegtäuschen, daß bei konsequenter Anwendung der Selbstbildtheorie die herkömmliche Nomenklatur psychischer Erkrankungen obsolet wird. Im Lichte der Selbstbildtheorie erscheinen die üblichen, auf 'multifaktorielle' Erklärungsmuster eingeschworenen Beschreibungen und Deutungen psychotischen Verhaltens als orientierungsloses „bloßes Herumtappen“ (Kant 1787) und die 'Neurobiologie psychischer Störungen' in bezug auf die Suche nach den Ursachen der Psychosen durchaus als Sackgasse.
Die Selbstbildtheorie postuliert als notwendige Bedingung für jede Psychose eine unrealistische Selbstbildprägung - aber wohlgemerkt: als notwendige Bedingung, nicht etwa als bereits hinreichende! Ob dann tatsächlich eine Psychose auftritt oder ob der Einsatz der Vorstellungsbewahrungshilfen A.I.D.S. unauffällig bleibt, hängt ja ganz vom Einzelfall und seinen vielfältigen Umständen ab. Der herkömmliche Versuch, aus einem solchen Chaos empirischer Befunde Gesetzmäßigkeiten für das Auftreten von Psychosen herauszulesen, kann also auch nur wieder zu einem Chaos vermuteter Ursachen führen.

Der deduktive Ansatz der Selbstbildtheorie hingegen sorgt dafür, daß größere Zusammenhänge erkennbar werden und sich um die Begriffe Selbstbild, Wunschbild und A.I.D.S. ein geschlossenes Theoriesystem menschlichen Verhaltens aufbauen läßt. Nicht nur die Psychiatrie könnte daraus Nutzen ziehen, sondern auch Pädagogik und Erziehung, ja sogar die Philosophie wäre aufgerufen, Kants Frage „Was ist der Mensch?“ (Kant 1800) unter der Prämisse der Selbstbildprägung neu zu stellen.



Literatur

Apel M. u. Ludz P (1958) Philosophisches Wörterbuch, S. 58 'Deduktion' (Sammlung Göschen, Walter de Gruyter, Berlin 1958)

Esquirol (1816) Folie (dtsch. Übers. 1838) Von den Geisteskrankheiten, S. 22 (Hubers Klassiker der Medizin und der Naturwissenschaften, Hans Huber, Bern und Stuttgart 1968)

Feinberg (1982/83) Schizophrenia: caused by a fault in programmed synaptic elimination during adolescence? J. Psychiatry Res 17: 319-334 (zitiert nach Arolt V., Ohrmann P. u. Rothermundt M: Schizophrenie und verwandte Störungen - Neurobiologie; in Förstl, Hautzinger u. Roth {Hrsg.} Neurobiologie psychischer Störungen, S. 378 (Springer, Heidelberg 2006)

Freud S. (1907) Der Wahn und die Träume in W. Jensens „Gradiva“; in Sigm. Freud Gesammelte Werke Bd. VII, S. 33 (S. Fischer, Frankfurt a. M. 1966)

Hesse H. (1950) Erinnerung an Hans; in H. Hesse Ges. Werke Bd. 10 (Suhrkamp Frankfurt a. M. 1970)

Jonath E. (1977) Das Selbstbild (Juris Druck + Verlag, Zürich 1977)

Kant I. (1787) Kritik der reinen Vernunft BVII; in I. Kant Werke Bd. 3, S. 20 (Wissenschaftl. Buchges., Darmstadt 1975)

Kant I. (1800) Logik, ein Handbuch zu Vorlesungen A26; in I. Kant Werke Bd. 5, S. 448 (Wissenschaftl. Buchges., Darmstadt 1975)

Mann Th. (1943) Joseph und seine Brüder, Bd. 2: Joseph, der Ernährer, 3. Hauptstück: Die Kretische Laube; in Th. Mann Gesammelte Werke, Bd. V, 2.Aufl. S. 1405 (S. Fischer Frankfurt a. M. 1974)

Singer W. (1998) Unser Gehirn: ein Produkt der Erziehung; in W. Singer Ein neues Menschenbild, S. 97 (Suhrkamp  Frankfurt a. M. 2003)


                                                                                                                                           E.J. (2006)

                                                             * * * * * * * * * * *

ENGLISH


Eberhard Jonath

Self-image Imprinting  ("Selbstbildprägung")


A deductive approach to solving the mystery of psychoses


§1 Introduction


In mathematics, the deductive method derives statements from definitions and axioms and constitutes an ever-growing overview of new insights. (…) In contrast to Aristotelian scholastics, deduction in modern science is not a way of gaining new knowledge, for it is not possible to derive elements of knowledge from general statements that would not already be covered by these statements. On the other hand, deduction serves to fit these elements into a closed overview, to derive one from the other, depending on their content, thus composing a closed system”. (Apel u. Ludz 1958)


Psychoses manifest themselves in conspicuous, apparently inexplicable behaviour. The obvious consequence is to suspect illnesses and disorders of being the causes, which one then hopes to pin down using empirical methods, collecting observation data as well as features and generalisations abstracted from such data. But, in short, the result is a chaos of causes. The self image theory (Jonath 1977) outlined below sheds light on why this is so and solves the mystery of psychoses through an approach which is not based on the analysis of psychotic behaviour, but rather on the hypothesis that after puberty, we have a complete set of perceptions that can no longer be corrected. This hypothesis has become a fact concerning brain physiology: namely that a significant, irreversible reduction of synaptic connections takes place in the brain at the start of puberty, i.e. a so-called synaptic pruning.

Admittedly, Feinberg (1982/83) has already put forward the hypothesis for schizophrenia, according to which: “a disorder of the synaptic pruning could possibly account for the drastically heightened risk of falling ill during puberty.” Yet, typically, psychosis is linked not to the pruning itself, but rather to the disorder of it. With the deductive solution approach of the self-image theory, on the other hand, it is the very process of synaptic pruning itself which assumes the axiomatic key role!


§2 Self-image imprinting


The process known as synaptic pruning works as follows: of the synaptic connections thus far available for cognitive functions in continually increasing numbers, only those which demonstrate sufficient activity remain, while unused connections are “melted down” (Singer 1998). The end result is that these synaptic connections form an irreversible structure. If in this manner, early environmental conditioning is continually tested and confirmed so as to become irreversibly set, this is considered to be an absolutely normal psychic maturing process and one which favours human development. Tried and tested results of decisions thus no longer need to be reprocessed again and again during the course of one’s life.

According to the self-image theory, the self-image is irreversibly established during the synaptic pruning as a result of the conditioning that determines how we see ourselves, i.e. the characteristics, abilities and shortcomings we really believe ourselves to possess. 

The imprinting of our self-image is therefore a conditioning process, during which the environment imprints on us impressions about ourselves. Up to puberty, these impressions can still be influenced. However during the course of synaptic pruning, they become set, irremediable perceptions of our characteristics, abilities and shortcomings and thereby conclusively form our self-image. Here again, the irreversible nature of the synaptic pruning offers advantages favouring development, since it engenders the stabilising of our personality. As a rule, innumerable judgements from our varied environment condition our self-image in such a way that extreme, unrealistic self-image perceptions are quickly corrected, giving rise in the end to a realistic self-image.


If however, particular circumstances dictate that no such correcting mechanisms are in effect, there is a danger of unrealistic self-image perceptions taking hold which eventually become irremediably anchored in the self-image during the course of synaptic pruning. Subsequently, such irremediable, unrealistic self-image perceptions can lead to expectations (hopes, but also fears!), the fulfilment of which one takes for granted, yet which cannot be fulfilled due to the unrealistic assumptions underpinning them. Would it then be any surprise for someone afflicted by this conflict between his or her unrealistic, yet irremediable self-image and reality to demonstrate the conspicuous, apparently inexplicable behaviour observed in mentally ill patients?

“The mentally ill, as LOCKE said, resemble those who set up false principles, from which they draw logical conclusions, all consequences being erroneous.” (Esquirol 1816)


§3 The Deductive Method


In using the deductive method, the self-image theory thus points to a completely different path to the usual one for which supposed illnesses and mental disorders are the starting point. Based on the definition of the self-image, which shows us what we really think we are like, the following statements can be derived from the axiom that the self-image cannot be corrected after synaptic pruning:

- The contradiction between an unrealistically imprinted self-image and reality cannot be eliminated by correcting the self-image.

- Both positively and negatively assessed perceptions contribute to the self-image.

- An overwhelmingly positive self-image cannot be constructed upon mainly negative imprinting and an overwhelmingly negative self-image cannot be constructed upon mainly positive imprinting. (Self-image theory falsification criterion!)




§4 Psychoses to Protect Perceptions

The core thesis underlying the self-image theory is as follows:

Psychotic behaviour is quite simply a case of people with unrealistic (but also irremediable!) self-image perceptions, which are in conflict with reality, logically and consistently making use of “A.I.D.S.”, the perception protection aids well-known to us all.


We are all familiar with the use of perception protection aids, when it comes to protecting cherished perceptions that are in danger of being refuted. When an event, which a specific perception had lead us to believe would happen, does not come about, we interpret this in such a way as to not have to give up the perception in question. To this end, we draw on the perception protection aids “A.I.D.S.”: Accusation, Inversion, Diminution and Suppression. (Jonath 1977)

The Perception Protection Aids A.I.D.S. are based on the principle of suppressing unpleasant facts from one’s consciousness. When a perception leads us to expect an event to happen, and it does not come about when put to the test, we can try to suppress,
a) the complete test,
b) at least the negative test result, or
c) failing that, the value of the negative test result.


Suppressing the complete test shall be called 'Suppression' (S.), suppressing the negative result (in other words, turning it around into the opposite result) 'Inversion' (I.) and the suppressing of the value (by downplaying its significance) 'Diminution' (D.), whereby 'Accusation' (A.), within the framework of diminution, imputes the negative test result to adverse circumstances.


Should an unrealistic self-image (particularly, a positive one) frequently have to be defended using A.I.D.S., one then avoids the confrontation of the perception with reality – i.e. the challenge - from the outset. Such 'evasive behaviour' employed as a strategy to protect an unrealistic, positive self-image can for example be observed in the latter stages of the lives of Hölderlin, Nietzsche and Robert Walser.

§5 Literature is a treasure trove


Since there is no recorded patient data thus far from the perspective of the self-image theory, suffice it to make reference to the examples dealt with in Jonath (1977) in addition to a comment by Sigmund Freud: “The poet is a valuable ally and his testimony is to be treasured.” (Freud 1907).

Indeed, Thomas Mann, for one, makes a pithy distinction between the conduct resulting from a 'negative' self-image on the one hand and that resulting from a 'positive' one on the other:



“There are chosen ones, who due to humiliation and self-rejection, never manage to believe in the fact that they have been chosen. They reject the idea with anger and remorse and don’t trust their senses (…) when they find themselves elevated despite their better judgement. Then there are others, who see nothing more self-evident than the fact that they are the chosen ones – they are conscious darlings of the gods, who are surprised by nothing that comes their way in terms of elevation or crowning.” (Mann 1943)

It is noteworthy, that in the former case of the negative self-image, the “elevation” stands in stark contrast to the irremediable negative self-image perception of self-rejection. This is why the “elevation” is perceived as an illusion; one attempts to maintain the self-rejection by means of “Inversion”. In contrast, in the latter case of the positive self-image, this positive self-image of having been chosen seems so far to have been maintained successfully and the “elevation” is taken in stride as self-evident.

In a short piece of  sensitively written prose about his brother Hans (– whose name was actually Johannes!),  Hermann Hesse also depicts how a negative self-image that is contrary to reality is maintained and how the image has presumably developed as a result of Hans’ familiar allocation of roles (Hesse 1950).

The fact that 'Depressions' are experiencing such a boom nowadays could in part be because they have not only become socially acceptable, but almost an absolute must for intellectuals and artists. This explains why the self-diagnosis of “depression” can prove to be a self-therapy not to be underestimated, namely using 'Accusation' to successfully protect perceptions; this applies particularly to cases of potential Schizophrenia, i.e. people who have an unrealistic, positive self-image.


§6 Self-image and Wish-Image


Our Wish-Image, which only shows us how we would like to be, generally remains open to correction; therefore contradictions between an unrealistic wish-image and reality can be eliminated by correcting the wish-image (in contrast to the circumstances in the case of our self-image!).  

The distinction between Self-image and Wish-image provides therefore for a clear separation between Psychoses (Self-image conflict) and Neuroses (Wish-image conflict).



§7 Conclusion


The significant correlation between a positive self-image and schizophrenia and a negative self-image and depression should not obscure the fact, that the consistent application of self-image theory renders traditional nomenclature of psychic illnesses obsolete. In the light of the self-image theory, the usual steadfast descriptions and interpretations of psychotic behaviour, that swear by  'multifactor' patterns of  explanation, appear to be disoriented “mere groping in the dark” (Kant 1787); and looking to 'neurobiological psychic disorders' when searching for the causes of psychoses is an absolute dead-end.
The self-image theory stipulates the imprinting of an unrealistic self-image as a necessary condition for any psychosis. – But take note, it is a necessary condition, not a sufficient condition! Whether a psychosis actually emerges or whether the use of perception protection aids A.I.D.S. passes unnoticed depends on each individual case and the multiple circumstances related to it.  The usual attempt to read some kind of order into the chaos of empirical findings to explain the emergence of psychoses can therefore only lead to a corresponding chaos of supposed causes.

The deductive approach of the self-image theory on the other hand, enables us to realize broad connections and to construct a consistent theoretical system of human behaviour based on the concepts of self-image, wish-image, and A.I.D.S.  It is not just psychiatry that stands to gain, but also pedagogy and education, even philosophy should reconsider Kant’s question “What is Man?” (Kant 1800) in view of the self-image premise.


Literature

Apel M. u. Ludz P (1958) Philosophisches Wörterbuch, S. 58 'Deduktion' (Sammlung Göschen, Walter de Gruyter, Berlin 1958)

Esquirol (1816) Folie (dtsch. Übers. 1838) Von den Geisteskrankheiten, S. 22 (Hubers Klassiker der Medizin und der Naturwissenschaften, Hans Huber, Bern und Stuttgart 1968)

Feinberg (1982/83) Schizophrenia: caused by a fault in programmed synaptic elimination during adolescence? J. Psychiatry Res 17: 319-334 (zitiert nach Arolt V., Ohrmann P. u. Rothermundt M: Schizophrenie und verwandte Störungen - Neurobiologie; in Förstl, Hautzinger u. Roth {Hrsg.} Neurobiologie psychischer Störungen, S. 378 (Springer, Heidelberg 2006)

Freud S. (1907) Der Wahn und die Träume in W. Jensens „Gradiva“; in Sigm. Freud Gesammelte Werke Bd. VII, S. 33 (S. Fischer, Frankfurt a. M. 1966)

Hesse H. (1950) Erinnerung an Hans; in H. Hesse Ges. Werke Bd. 10 (Suhrkamp Frankfurt a. M. 1970)

Jonath E. (1977) Das Selbstbild (Juris Druck + Verlag, Zürich 1977)

Kant I. (1787) Kritik der reinen Vernunft BVII; in I. Kant Werke Bd. 3, S. 20 (Wissenschaftl. Buchges., Darmstadt 1975)

Kant I. (1800) Logik, ein Handbuch zu Vorlesungen A26; in I. Kant Werke Bd. 5, S. 448 (Wissenschaftl. Buchges., Darmstadt 1975)

Mann Th. (1943) Joseph und seine Brüder, Bd. 2: Joseph, der Ernährer, 3. Hauptstück: Die Kretische Laube; in Th. Mann Gesammelte Werke, Bd. V, 2.Aufl. S. 1405 (S. Fischer Frankfurt a. M. 1974)

Singer W. (1998) Unser Gehirn: ein Produkt der Erziehung; in W. Singer Ein neues Menschenbild, S. 97 (Suhrkamp  Frankfurt a. M. 2003)


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entnommen dem im Privatdruck herausgegebenen Bändchen "Wider unseren Dünkel", Volketswil 1985, Seite 93.  



Niemand verhält sich unverständlich - oder jeder. Soweit jedenfalls, wie sich menschliches Verhalten überhaupt verstehen läßt, soweit läßt sich auch das Verhalten eines sogenannten Geisteskranken verstehen.
Man muß sich nur einmal von dem ohnehin fragwürdigen Begriff der Krankheit lösen. Schließlich treffen wir auch bei Menschen durchaus gesunden Geistes oftmals auf zunächst unverständliche Verhaltensweisen, deren Verständnis wir uns erst erarbeiten müssen. Es macht uns zu schaffen, wenn ein sonst stets nüchtern und wirklichkeitsbewußt Handelnder gewisse Tatsachen einfach nicht wahrhaben möchte - bis wir erkennen, daß eine in Gefahr geratene Wunschvorstellung hinter diesem Verhalten steht.
Nun hegt aber jeder Mensch in bezug auf seine Eigenschaften und Fähigkeiten bestimmte Wunschvorstellungen, er macht sich von sich selbst ein "Wunschbild", das ihn so zeigt, wie er zu sein wünscht. Und auch ein Wunschbild kann, wie jede Wunschvorstellung, in Gefahr geraten, an der Wirklichkeit zu scheitern. Unter diesen Umständen greifen wir dann zu gewissen Vorstellungsbewahrungshilfen (A.I.D.S.), falls wir es nicht vorgezogen haben, die wunschbildgefährdenden Umstände im vornherein zu vermeiden (evasives Verhalten).
Freilich pflegen wir dabei im allgemeinen nicht weiter zu gehen, als wir es dem Urteilsvermögen unserer Umwelt glauben zumuten zu können, ohne für unbelehrbar, böswillig oder gar geisteskrank gehalten zu werden. Denn in der Tat, jemand, der bei dem Versuch, sich sein Wunschbild zu bewahren, allzu weit ginge, verlöre wohl unser Verständnis und unterschiede sich nicht mehr von einem üblicherweise als geisteskrank Bezeichneten. Der Schluß liegt nahe, absonderliches, unverständliches Verhalten auf eben solche zu weit gehenden Bewahrungsversuche zurückzuführen. Damit wäre nun freilich die Verständnisschwierigkeit lediglich vom absonderlichen Verhalten auf das absonderliche Zuweitgehen verlagert - wenn es nicht eine einleuchtende Erklärung für dieses Zuweitgehen gäbe. Neben dem Wunschbild nämlich, das uns so zeigt, wie wir zu sein wünschen, besitzen wir auch noch ein "Selbstbild", das uns so zeigt, wie wir tatsächlich zu sein meinen.
Und zu diesem Selbstbild gehören Vorstellungen, die uns bereits in früher Jugend eingeprägt worden sind. Einer durch viele Erfahrungstatsachen bestätigten Erkenntnis gemäß aber lassen sich Eindrücke, die uns in früher Jugend nachhaltig eingeprägt worden sind, später nicht mehr tilgen! Wenn also hinreichend eindruckskräftige Umstände dafür gesorgt haben, daß uns in früher Jugend Selbstbildvorstellungen eingeprägt worden sind, die heute zur Wirklichkeit in Gegensatz geraten, dann mag es wohl geschehen, daß wir uns absonderlich und unverständlich zu verhalten beginnen. Und da diese eingeprägten Selbstbildvorstellungen im Unterschied zu den Wunschbildvorstellungen nicht nur wünschbarer Art ("positives Selbstbild"), sondern durchaus auch unerfreulich sein können ("negatives Selbstbild"), beharren wir dann wohl gar hartnäckig darauf, bestimmte Mängel und Fehler zu besitzen, obwohl uns die Tatsachen und die Urteile unserer Umwelt eigentlich längst eines Besseren belehrt haben sollten. Auch dabei bedienen wir uns dann aber eben jener Vorstellungsbewahrungshilfen (A.I.D.S.), mit denen wir üblicherweise unsere Wunschvorstellungen zu bewahren suchen, wenn sie an der Wirklichkeit zu scheitern drohen.
Wunschbildrechtfertigung und Selbstbildbehauptung geschehen nach denselben Regeln:

Aufgrund unseres Wunschbildes oder Selbstbildes erhoffen oder erwarten wir, daß sich unter den gerade obwaltenden Umständen ein bestimmter Sachverhalt S ergeben werde. Dabei stützen wir uns auf einen entsprechenden "Erwartungs-Leitsatz" , der die in unserem Wunschbild oder Selbstbild anzutreffenden Eigenschaften E mit dem erhofften oder erwarteten Sachverhalt S verknüpft.

 

Erwartungs-Leitsatz: Wenn man die Eigenschaften E besitzt - dann führt dies unter den obwaltenden Umständen zu einem Sachverhalt S.



Ist der erhoffte oder erwartete Sachverhalt S nun aber ausgeblieben, obwohl wir die Bewährungsprobe nicht durch ausweichendes (evasives) Verhalten vermieden, sondern tatsächlich auf uns genommen haben, so bieten sich uns zwei Verhaltensweisen als Antwort auf dieses Ausbleiben des erhofften oder erwarteten Sachverhaltes S an:
Entweder - wir gehen von der anscheinend ungerechtfertigten Vorstellung ab, die Eigenschaften E zu besitzen. Dies wäre vermutlich meistens das angemessene (adäquate) Verhalten.
Oder aber - wir tun dies nicht! In diesem Falle bleibt uns nur noch die Wahl zwischen den folgenden Vorstellungsbewahrungshilfen (A.I.D.S.) und der Inkaufnahme miteinander unverträglicher Aussagen (Alogik):




 
Die Bewährungsprobe hat stattgefunden, aber der erhoffte oder erwartete Sachverhalt ist nicht eingetreten. Trotzdem beharrt man auf seinen Vorstellungen.

Indem man die Bewährungsprobe einfach aus dem Bewußtsein verdrängt?
                Ja: "Verdrängen" (Suppression) (S.)

Nein!
Sondern?


Indem man das Ergebnis der Bewährungsprobe in eine Bestätigung verdreht?   

                Ja: "Verdrehen" (Inversion) (I.)

Nein!
Sondern?


Indem man die Bedeutung des Ergebnisses der Bewährungsprobe herunterspielt?           

                Ja: "Herunterspielen" (Diminution) (D.)

                        Und wenn man dabei
                        widrigen Umständen
                        die Schuld gibt:
                        "Ausflüchte" (Akkusation) (A.)

Nein!

Dies bedeutet dann aber: Unverträglichkeit der Aussagen! (Alogik)


  
Wenn man das Ausbleiben eines erhofften oder erwarteten Sachverhalts weder verdrängt noch verdreht, noch herunterspielt, wenn man also anerkennt, daß eine Bewährungsprobe stattgefunden habe, daß aber der erhoffte oder erwartete Sachverhalt nicht eingetreten sei, daß er jedoch - gemäß einem anerkannten Erwartungs-Leitsatz - bei Zutreffen der entsprechenden Wunschbild- beziehungsweise Selbstbildvorstellungen eigentlich hätte eintreten müssen, dann stünde diese Aussage unverträglich im Gegensatz zu jener, diese Wunschbild- oder Selbstbildvorstellungen träfen dennoch nach wie vor zu. Und jemand, der bewußt eine solche Unverträglichkeit hinnähme, verhielte sich in der Tat unverständlich. Um das Verhalten sogenannter Geisteskranker zu erklären, bedarf es aber keineswegs der Annahme, dies seien Menschen, die auch unverträgliche Aussagen nebeneinander gelten ließen. Im Gegenteil. Gerade das Bestreben, ein solches Nebeneinander nicht entstehen zu lassen, muß ja zu all jenen Absonderlichkeiten wie Wahnverhalten und Unansprechbarkeit führen, wenn Vorstellungen im Spiele sind, die einerseits zwar wirklichkeitswidrig, andererseits aber ihrer bereits früh erfolgten Einprägung wegen dennoch untilgbar sind.


Wem eine Vorstellung untilgbar eingeprägt worden ist, der vermag sich ja auch bei offenkundigster Widerlegung nicht von der Überzeugung zu lösen, diese Vorstellung treffe tatsächlich zu; er darf also, wenn er sich selbst verständlich bleiben will, auch die offenkundigste Widerlegung nicht anerkennen, da er doch sonst dazu gezwungen wäre, zwei miteinander unverträgliche Annahmen nebeneinander gelten zu lassen: das Zutreffen einer Vorstellung wie auch ihre Widerlegung. Folglich wird der Unglückliche die Vorstellungsbewahrungshilfen (A.I.D.S.) bis zum Äußersten beanspruchen und sich schließlich wohl gar, um alle vorstellungsgefährdenden Umstände im vornherein zu vermeiden, gänzlich in eine eigene Scheinwelt zurückziehen. Seiner Umwelt freilich muß ein solches Verhalten höchst absonderlich und unerklärlich erscheinen, ihr sind ja die dahinterstehenden Selbstbildvorstellungen und vor allem deren Untilgbarkeit nicht bekannt; solange sie aber nur von den vordergründig erkennbaren Umständen ausgeht, wird ihre Suche nach einem verständnisschaffenden Leitsatz vergeblich bleiben. Erst die Deutung des absonderlichen Verhaltens als Vorstellungsbewahrungsversuch, unter Zugrundelegung der Untilgbarkeit früh eingeprägter Selbstbildvorstellungen, vermag das Rätsel ohne Zufluchtnahme zu geheimnisvollen krankhaften Störungen zu lösen:

Kümmernisträchtige Selbstbildvorstellungen, seien es nun wünschbare (positive) oder unerfreuliche (negative), stellen zwar keine hinreichende, wohl aber die notwendige Bedingung dafür dar, daß jemand sich "geisteskrank" verhält.

                                                                                                                                         E.J. (2005)

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